Bis zur Matura im Sommer 2015 arbeitete sie in den Werkstätten der Modeabteilung der WI’MO, aktuell erreicht man sie bei den Salzburger Festspielen: Die gebürtige Ferlacherin Selina Ogris hat den Sprung ins Modebusiness geschafft – und das gleich in unterschiedlichen Metiers. Für den Jahresbericht der WI’MO nahm sich die Absolventin Zeit für ein Gespräch.
Umwege für den Erfolg
„Ich hab‘ immer ja gesagt, wenn sich Möglichkeiten aufgetan haben“, lacht Selina Ogris, als sie an ihre Schulzeit zurückdenkt. „Machen, machen, machen ist bis heute wohl meine Philosophie.“ Die 27-Jährige begann das Jahr 2023 als Herrenschneiderin an der Hamburgischen Staatsoper, ehe sie es anlässlich der Salzburger Festspiele in die Mozartstadt zog – zum mittlerweile wiederholten Male. „Ich stürz‘ mich gern aus der eigenen Komfortzone.“
Begonnen hat der Weg der gebürtigen Ferlacherin in der Modeabteilung der WI’MO im Jahr 2010. „Es war eine sehr besondere Zeit für mich. Unvergessen ist die Unterstützung, die man als Jugendlicher erhielt, wenn man eigene Ideen in die Tat umsetzen wollte.“ Die vielen Stunden im fachpraktischen Unterricht prägten sie: „Ich habe die Werkstätte immer geliebt. In den kleinen Gruppen war es ein beinahe familiäres Umfeld, in dem wir viele kreative Freiheiten gemeinsam ausleben konnten.“
Modische Weltenbummlerin. Die enge Zusammenarbeit mit Klassenkameradinnen und Lehrkräften führte schon früh zu besonderen Ergebnissen. Mit Sara Kickmayer, heute in Paris für Balenciaga aktiv, realisierte sie am Weg zur Matura ein Marketingprojekt für das Modemagazin Style Up Your Life, Ogris selbst zog es bereits damals raus in die Welt. Im letzten Sommer vor dem Abschluss absolvierte sie ein Praktikum bei einem Schmuckdesigner in London. „Ich habe 30, 40 Bewerbungen abgeschickt und erst nicht einmal Absagen erhalten. Es war sehr schwierig, in so jungen Jahren einen Platz zu finden.“
Für sie war es jedoch nur der Beginn einer Reihe von Abenteuern. Nach der Matura ging es für ein Jahr als Au-pair nach New York, später absolvierte Ogris ein Praktikum bei James Whitfield in Berlin. „Ich liebe das Gefühl, in eine neue Stadt zu gehen, mich dort anonym zu bewegen und zu sehen, was passiert“, grinst sie. „Heimkommen kann ich immer noch.“
Champions League. Dass sie dabei der Modewelt erhalten bleiben sollte, diese Entscheidung fiel während des Aufenthalts in den Vereinigten Staaten. „Meine Familie musste daheim die Mappe für die Bewerbung zusammenstellen und es aushalten, dass ich via Webcam jedes Detail noch einmal unter die Lupe nehmen wollte.“ Ogris bemühte sich um einen Platz in der Damenmeisterklasse in der Herbststraße in Wien, ein Jahr später hielt sie den Meisterbrief in Händen. Damit war die Reise aber noch nicht zu Ende. „Ich hörte von der Herrenmeisterklasse in Michelbeuern. Sie hat mir in meiner Entwicklung einen starken Impuls gegeben.“
Anschließend blieb Ogris in der Bundeshauptstadt und studierte an der Pädagogischen Hochschule Mode und Design. Parallel dazu begannen neue Abenteuer, etwa als Schneiderin beim extravaganten Lifeball. Dieses Engagement vergleicht Ogris rückblickend mit der Arbeit bei den Salzburger Festspielen. „Man tritt in eine andere Welt ein, die Umgebung ist kunterbunt. Wenn die eigenen Arbeiten dann auf der Bühne und auf den Fotografien überall zu sehen sind, macht einen das ungemein stolz.“
Respekt einfordern. Die Praktika im Ausland sowie die Engagements in Wien und Salzburg verlangten Ogris vieles ab, nicht immer werden die frühen Jobs fair entlohnt. „Manches muss man in Kauf nehmen, um voranzukommen. Ich habe aber auch gelernt, den Mund aufzumachen.“ Mittlerweile bieten Arbeitgeber adäquate Bezahlung, zudem arbeitet Ogris selbständig. „Für das Start-up mjuks entwickle ich Prototypen für medizinische Praxiskleidung, die fair und modern produziert wird. Außerdem nähe ich unter dem Namen made.by.selo Herrenmaßanzüge.“
In Projekten engagiert sich Ogris zudem um eine nachhaltige Modeproduktion, bei der kaum Stoffreste übrigbleiben. Sich selbst bezeichnet sie als wenig konsumorientiert. „Ich versuche meine Kanäle dafür zu nutzen, ein Bewusstsein für den Wert fairer Mode zu schaffen.“ Für die nächste Generation dient sie aber allen voran mit ihrer Biografie als Inspirationsquelle. „Ich versuche noch immer jeden Umweg mitzunehmen, um mich weiterzuentwickeln.“